Subject: ein bisschen Gesellschaftskritik
Ich bin gerade in Korea und habe mal ein paar Gedanken festgehalten.
Vorneweg möchte ich jedoch festhalten, dass ich Korea liebe, sehr gerne hier bin und sogar mal hier leben möchte, also durchaus kein "hater" bin
Man kennt ja den Spruch Asiaten sähen alle gleich aus. In gewisser Hinsicht stimmt das auch. Im Gegensatz zu etwa den Deutschen, die ein starkes Individualitäts-Bewusstsein fördern, arbeiten die Koreaner mit aller Macht gegen jede Art von Individualität in allen Aspekten des Lebens. Natürlich ist letztlich auch in Deutschland alles nur Gleichmacherei getarnt unter dem Mantel einer Pseudo-Individualität, aber immerhin haben die Deutschen generell das Bedürfnis dazu individuell zu sein, und schaffen dies auch mehr oder weniger, je nachdem wie man das eben so sieht. Wenn man plakativ reden möchte könnte man sagen, dass sich die Deutschen mit der Täter-Rolle identifizieren und somit einen starke innerliche Abneigung gegen jegliche Art von Unterordnung und Anerkennung von Autorität haben, während die Koreaner sich mit der Opfer-Rolle identifizieren und somit ein starkes Gemeinschaftsbewusstsein mit Hang zum Nationalismus fördern, eine Art gemeinsam-sind-wir-stark-Mentalität. Ich kann natürlich die Myriaden von Fäden, die zusammenlaufen wenn man versucht eine Gesellschaft auch nur ansatzweise zu erklären nicht überblicken, jedoch hat man mit dem oben genannten auf jeden Fall mal einen.
Koreaner sehen alle gleich aus? Auf jeden Fall sehen sie alle besser (gekleidet) aus als Deutsche.
Der durchschnittliche Penner hier würde in Deutschland als Bankangestellter durchgehen. Ob das nun an einem besseren Modegeschmack liegt weiss ich nicht, bezweifle ich jedoch. Ich glaube eher, dass es daran liegt, dass es in Korea einfach sehr sehr schwer ist überhaupt hässliche Klamotten zu finden. Teil der Strategie, die hinter dem sagenumwobenen wirtschaftlichen Aufschwung Koreas liegt, bestand ja darin, den koreanischen Markt zu isolieren und gegen westliche Produkte abzuschotten. Somit wurde und wird fleissig vom Westen kopiert und unter eigenem Namen verkauft, wodurch die ohnehin schon stark subventionierten eigenen Marken nochmals stärker gemacht werden. Z.B. kostet hier eine original Levi’s Jeans um ein vielfaches mehr als in Deutschland, koreanische Kleidung jedoch ist relativ günstig und sieht genauso gut aus (ich wollte jetzt nicht sagen „ist qualitativ gleichwertig“ denn darüber kann man sich streiten). Mit ganz simpler Logik gedacht folgt nun eben daraus, dass der Deutsche, der seine Kleidung bei Aldi kauft, nunmal schlechter aussieht als der Koreaner, der seine Kleidung beim koreanischen Aldi-equivalent kauft.
Wenn ich also nun morgens zur Uni laufe, sehe ich eine Schar von gut gekleideten jungen Leuten, die aber irgendwie dann doch alle gleich aussehen. Wieso?
Überall auf der Welt richtet man sich nach Standards, wenn man eine Person evaluiert, in Korea hat dies jedoch ganz extreme Maße angenommen. Ähnlich wie in Japan basiert hier die berufliche Zukunft der jungen Leute darauf, bei welcher Uni sie ihren Abschluss machen. Die Aufnahmeprüfungen der Unis sind unmenschlich hart und daher sind zusätzliche Abendschulen verbunden mit 18h/Tag Lernmarathons im letzten High School Jahr hier die Regel. Zusätzlich sind viele Schulen hier privat, und da sie ja Geld verdienen wollen, richten sie sich nicht nach dem Wohl der Kinder sondern nach den Wünschen der Eltern, welche natürlich wollen, dass ihre Kinder auf eine gute Uni kommen. Somit werden die Kinder vom Kindergarten ab (schon im Kindergarten werden täglich Arbeitsblätter gemacht und Englisch gepaukt) darauf getrimmt Prüfungen zu bestehen. Das erklärt auch das erschreckend lückenhafte Allgemeinwissen vieler junger Koreaner hinsichtlich Zeitgeschichte der restlichen Welt. Wird nicht benötigt für Uni-Aufnahmeprüfungen, und es ist verständlich, dass man in diesen Stunden dann schläft, und diese unbrauchbaren Informationen ignoriert, wenn man sowieso schon so unter Druck steht. Genauso wie ich jetzt schon etliche Koreaner getroffen habe, die in der High-School Deutsch lernten (wohl nur, um dies später mal in der Bewerbung erwähnen zu können) aber wirklich kein einziges Wort mehr konnten. Die Uni selbst ist dann wiederum sehr einfach, so höre ich, deswegen lassen es die Studenten auch so ziemlich krachen. In der Arbeitswelt resultiert das in der Arbeitsweise „quick&messy“, man liefert möglichst schnell ein Resultat ab, einfach nur um ein Resultat zu haben, das man vorzeigen kann. Der Inhalt ist egal.
Um weit zu kommen braucht man also: einen Abschluss von einer guten Uni, eine gute TOEFL/TOEIC score (anerkannte Englisch-Tests), die Bereitschaft sich unterzuordnen und natürlich eine hohe Arbeitsbereitschaft. Man sieht also, dass es immer darum geht nach Standards zu streben, aus der Reihe fallen bringt nur Nachteile. Eben dies spiegelt sich auch in der Kleidung wieder, um wieder zurück zur Eingangsthese dieses Absatzes zu kommen. Wenn man die aktuellen Top-Schönheiten Koreas betrachtet, würde das ungeübte Auge bei einem flüchtigen Blick wahrscheinlich nicht mal erkennen, dass es sich um verschiedene Personen handelt. Durch Schönheitsoperationen, die hier gang und gäbe sind, oder natürliches genetisches Glück (sehr selten) wird hier versucht mit aller Macht dem Schönheitsideal zu entsprechen. Aber nun gut, das ist ein leidiges Thema, vielleicht gehe ich ein anderes Mal darauf ein.
Negativ auffallen wird im Übrigen sowieso viel viel schlechter bewertet als gar nicht auffallen. Im Gegenteil, nicht aufzufallen ist eine Tugend. Dies bringt mich zu einer anderen Eigenheit der koreanischen Gesellschaft. Der stetige Kampf darum, den Standards zu entsprechen und nicht negativ aufzufallen, hat auch großen Einfluss auf das soziale Leben. Um zu vermeiden, irgendwie negativ abgestempelt zu werden (was den sozialen Tod bedeuten würde), werden einfach alle nicht so gut angesehenen Aktivitäten in Gruppen oder im geheimen gemacht. Wenn es die ganze Gruppe macht, kann der einzelne ja nichts dafür, ne? Typische Beispiele hierfür sind die Besäufnisse der Studenten (genannt „Meeting“, auch besonders beliebt um Bekanntschaften mit dem anderen Geschlecht zu machen), oder die Besäufnisse des arbeitenden Volks (genannt „Geschäftsessen“). Im Schutz der Gruppe wird bei solchen Veranstaltungen dann so richtig die Sau rausgelassen und alles was man sonst unterdrücken muss darf hemmungslos ausgelebt werden (was viele Todesfälle jedes Jahr zur Folge hat, kein Scherz). Vielleicht schaffe ich es ja mal an so einem „Meeting“ teilzunehmen, dann kann ich first-hand berichten. Die geheimen Aktivitäten wären dann wohl so alles was mit Sex zu tun hat, daher die ganzen Motels, anonyme Treffs und was auch immer es alles so gibt.
Ein weiterer Aspekt, der auch irgendwie mit all dem oben genannten zusammenhängt, ist die Oben-Unten Beziehung, der Respekt vor den Älteren, die Wichtigkeit von „Rängen“. Aber hierauf werde ich zu diesem Zeitpunkt nicht näher eingehen.
Natürlich ist das alles relativ oberflächlich und generalisiert und nicht Anzuwenden auf Einzelperson XY.
Was meint ihr? Mich würde interessieren wie gebürtige Koreaner dies sehen.
Vorneweg möchte ich jedoch festhalten, dass ich Korea liebe, sehr gerne hier bin und sogar mal hier leben möchte, also durchaus kein "hater" bin

Man kennt ja den Spruch Asiaten sähen alle gleich aus. In gewisser Hinsicht stimmt das auch. Im Gegensatz zu etwa den Deutschen, die ein starkes Individualitäts-Bewusstsein fördern, arbeiten die Koreaner mit aller Macht gegen jede Art von Individualität in allen Aspekten des Lebens. Natürlich ist letztlich auch in Deutschland alles nur Gleichmacherei getarnt unter dem Mantel einer Pseudo-Individualität, aber immerhin haben die Deutschen generell das Bedürfnis dazu individuell zu sein, und schaffen dies auch mehr oder weniger, je nachdem wie man das eben so sieht. Wenn man plakativ reden möchte könnte man sagen, dass sich die Deutschen mit der Täter-Rolle identifizieren und somit einen starke innerliche Abneigung gegen jegliche Art von Unterordnung und Anerkennung von Autorität haben, während die Koreaner sich mit der Opfer-Rolle identifizieren und somit ein starkes Gemeinschaftsbewusstsein mit Hang zum Nationalismus fördern, eine Art gemeinsam-sind-wir-stark-Mentalität. Ich kann natürlich die Myriaden von Fäden, die zusammenlaufen wenn man versucht eine Gesellschaft auch nur ansatzweise zu erklären nicht überblicken, jedoch hat man mit dem oben genannten auf jeden Fall mal einen.
Koreaner sehen alle gleich aus? Auf jeden Fall sehen sie alle besser (gekleidet) aus als Deutsche.
Der durchschnittliche Penner hier würde in Deutschland als Bankangestellter durchgehen. Ob das nun an einem besseren Modegeschmack liegt weiss ich nicht, bezweifle ich jedoch. Ich glaube eher, dass es daran liegt, dass es in Korea einfach sehr sehr schwer ist überhaupt hässliche Klamotten zu finden. Teil der Strategie, die hinter dem sagenumwobenen wirtschaftlichen Aufschwung Koreas liegt, bestand ja darin, den koreanischen Markt zu isolieren und gegen westliche Produkte abzuschotten. Somit wurde und wird fleissig vom Westen kopiert und unter eigenem Namen verkauft, wodurch die ohnehin schon stark subventionierten eigenen Marken nochmals stärker gemacht werden. Z.B. kostet hier eine original Levi’s Jeans um ein vielfaches mehr als in Deutschland, koreanische Kleidung jedoch ist relativ günstig und sieht genauso gut aus (ich wollte jetzt nicht sagen „ist qualitativ gleichwertig“ denn darüber kann man sich streiten). Mit ganz simpler Logik gedacht folgt nun eben daraus, dass der Deutsche, der seine Kleidung bei Aldi kauft, nunmal schlechter aussieht als der Koreaner, der seine Kleidung beim koreanischen Aldi-equivalent kauft.
Wenn ich also nun morgens zur Uni laufe, sehe ich eine Schar von gut gekleideten jungen Leuten, die aber irgendwie dann doch alle gleich aussehen. Wieso?
Überall auf der Welt richtet man sich nach Standards, wenn man eine Person evaluiert, in Korea hat dies jedoch ganz extreme Maße angenommen. Ähnlich wie in Japan basiert hier die berufliche Zukunft der jungen Leute darauf, bei welcher Uni sie ihren Abschluss machen. Die Aufnahmeprüfungen der Unis sind unmenschlich hart und daher sind zusätzliche Abendschulen verbunden mit 18h/Tag Lernmarathons im letzten High School Jahr hier die Regel. Zusätzlich sind viele Schulen hier privat, und da sie ja Geld verdienen wollen, richten sie sich nicht nach dem Wohl der Kinder sondern nach den Wünschen der Eltern, welche natürlich wollen, dass ihre Kinder auf eine gute Uni kommen. Somit werden die Kinder vom Kindergarten ab (schon im Kindergarten werden täglich Arbeitsblätter gemacht und Englisch gepaukt) darauf getrimmt Prüfungen zu bestehen. Das erklärt auch das erschreckend lückenhafte Allgemeinwissen vieler junger Koreaner hinsichtlich Zeitgeschichte der restlichen Welt. Wird nicht benötigt für Uni-Aufnahmeprüfungen, und es ist verständlich, dass man in diesen Stunden dann schläft, und diese unbrauchbaren Informationen ignoriert, wenn man sowieso schon so unter Druck steht. Genauso wie ich jetzt schon etliche Koreaner getroffen habe, die in der High-School Deutsch lernten (wohl nur, um dies später mal in der Bewerbung erwähnen zu können) aber wirklich kein einziges Wort mehr konnten. Die Uni selbst ist dann wiederum sehr einfach, so höre ich, deswegen lassen es die Studenten auch so ziemlich krachen. In der Arbeitswelt resultiert das in der Arbeitsweise „quick&messy“, man liefert möglichst schnell ein Resultat ab, einfach nur um ein Resultat zu haben, das man vorzeigen kann. Der Inhalt ist egal.
Um weit zu kommen braucht man also: einen Abschluss von einer guten Uni, eine gute TOEFL/TOEIC score (anerkannte Englisch-Tests), die Bereitschaft sich unterzuordnen und natürlich eine hohe Arbeitsbereitschaft. Man sieht also, dass es immer darum geht nach Standards zu streben, aus der Reihe fallen bringt nur Nachteile. Eben dies spiegelt sich auch in der Kleidung wieder, um wieder zurück zur Eingangsthese dieses Absatzes zu kommen. Wenn man die aktuellen Top-Schönheiten Koreas betrachtet, würde das ungeübte Auge bei einem flüchtigen Blick wahrscheinlich nicht mal erkennen, dass es sich um verschiedene Personen handelt. Durch Schönheitsoperationen, die hier gang und gäbe sind, oder natürliches genetisches Glück (sehr selten) wird hier versucht mit aller Macht dem Schönheitsideal zu entsprechen. Aber nun gut, das ist ein leidiges Thema, vielleicht gehe ich ein anderes Mal darauf ein.
Negativ auffallen wird im Übrigen sowieso viel viel schlechter bewertet als gar nicht auffallen. Im Gegenteil, nicht aufzufallen ist eine Tugend. Dies bringt mich zu einer anderen Eigenheit der koreanischen Gesellschaft. Der stetige Kampf darum, den Standards zu entsprechen und nicht negativ aufzufallen, hat auch großen Einfluss auf das soziale Leben. Um zu vermeiden, irgendwie negativ abgestempelt zu werden (was den sozialen Tod bedeuten würde), werden einfach alle nicht so gut angesehenen Aktivitäten in Gruppen oder im geheimen gemacht. Wenn es die ganze Gruppe macht, kann der einzelne ja nichts dafür, ne? Typische Beispiele hierfür sind die Besäufnisse der Studenten (genannt „Meeting“, auch besonders beliebt um Bekanntschaften mit dem anderen Geschlecht zu machen), oder die Besäufnisse des arbeitenden Volks (genannt „Geschäftsessen“). Im Schutz der Gruppe wird bei solchen Veranstaltungen dann so richtig die Sau rausgelassen und alles was man sonst unterdrücken muss darf hemmungslos ausgelebt werden (was viele Todesfälle jedes Jahr zur Folge hat, kein Scherz). Vielleicht schaffe ich es ja mal an so einem „Meeting“ teilzunehmen, dann kann ich first-hand berichten. Die geheimen Aktivitäten wären dann wohl so alles was mit Sex zu tun hat, daher die ganzen Motels, anonyme Treffs und was auch immer es alles so gibt.
Ein weiterer Aspekt, der auch irgendwie mit all dem oben genannten zusammenhängt, ist die Oben-Unten Beziehung, der Respekt vor den Älteren, die Wichtigkeit von „Rängen“. Aber hierauf werde ich zu diesem Zeitpunkt nicht näher eingehen.
Natürlich ist das alles relativ oberflächlich und generalisiert und nicht Anzuwenden auf Einzelperson XY.
Was meint ihr? Mich würde interessieren wie gebürtige Koreaner dies sehen.