Subject: Von Mondflecken, Hostien und Kratern
Hallo Naja,
ich kann gut verstehen, dass Du Dich über Fronleichnam wunderst. Ich bin nicht katholisch und habe selbst eine Weile gebraucht, um Fronleichnam zu verstehen. Deine Frage, ob es an Fronleichnam etwas Neues oder Anderes gibt, trifft genau den Punkt: Es gibt etwas Anderes. Fronleichnam ist nicht nur eine Nachholung oder Verdopplung von Gründonnerstag.
In Ergänzung zu dem, was Katho schon geschrieben hat, will ich versuchen, das Besondere an Fronleichnam zu erklären: (Dabei will ich keinem Katholiken zu nahe treten. Das ist euer Fest! Wenn ich es falsch verstehe, klärt mich auf.)
Für das Verständnis ist es vielleicht hilfreich, wenn man die Feste im Kirchenjahr in vier große Kategorien einteilt:
-Feste, die Ereignisse im Leben Jesu betreffen
-Feste, die Ereignisse im Leben Maria betreffen
-Gedächtnisfeiern für Märtyrer oder Heilige
-Ideenfeste (Trinitatis, Fronleichnam, Herz Jesu etc.)
Fronleichnam ist ein Ideenfest und noch dazu ein ziemlich junges. Es wurde erst 1264 durch Urban IV für verbindlich erklärt. Wie Katho bereits erklärt hat, steht Fronleichnam mit dem Leben Jesu in keinem direkten Zusammenhang. Fronleichnam feiert nicht das historische Ereignis des letzen Abendmahls und der Einsetzung des heiligen Abendmahls; beides wird an Gründonnerstag gefeiert.
Der Schwerpunkt bei Fronleichnam ist ein anderer: Es geht nicht um das Gedenken an ein historisches Ereignis als Ursprung der Eucharistie. Es geht um die Verehrung der gewandelten Hostie und des gewandelten Weins als Leib und Blut Christi. Kern des Feier ist die Idee der Eucharistie selbst (oder die Institution der Eucharistie), wie sie in Brot und Wein sichtbar und (be)greifbar wird. Deswegen steht an Fronleichnam die Verehrung der konsekrierten Hostie und nicht der gemeinschaftliche Vollzug der Eucharistie im Mittelpunkt.
Fronleichnam ist also nicht bloß ein nachgeholter Gründonnerstag. Ein Nachholen ist auch gar nicht nötig, da an Gründonnerstag - trotz Karwoche - sehr wohl Feste gefeiert werden. Die katholischen Kirche feiert am Gründonnerstag sogar gleich zwei wichtige Messen: Vormittags die Chrisam-Messe und abends die eigentliche Gründonnerstagmesse.
Katho hat allerdings Recht, dass manche der farbenfrohen Bräuche, die sich um Fronleichnam entwickelt haben, nicht so gut in die Karwoche passen würden. Doch man muss diese Bräuche von dem eigentlichen Fest unterscheiden. Die Bräuche sind regional sehr unterschiedlich ausgeprägt und noch deutlich jünger als das Fest selbst (meines Wissens entstehen sie in Deutschland erst gegen Ende des 14. Jahrhunderts).
Zum Titel meines Beitrags:
An der Geschichte von Fronleichnam lässt sich - ganz nebenbei - der Unterschied zwischen religiösem und naturwissenschaftlichem Denken illustrieren.
Eine Nonne (Juliane von Lüttich, 1209) sieht beim Beten einen dunklen Fleck auf dem Mond. Sie interpretiert den dunklen Fleck in Form einer Hostie als göttliches Zeichen, das das Fehlen eines Festes im Kirchenjahr anzeigt: der Anstoß für die Einführung des Fronleichnamsfestes.
Ein Naturwissenschaftler (Galileo Galilei, 1610) beobachtet dunkle Flecken auf dem Mond. Er interpretiert die dunklen Flecken als Zeichen für Krater auf der Oberfläche des Mondes: der Gnadenstoß für die aristotelischen Kosmologie.
Ich hoffe das hilft Dir weiter.