Subject: wie das so in deutschland war
Vorweg: Ich spreche aus der Sicht von jemanden, der in Westdeutschland aufgewachsen ist. Und ich war noch ein Teenager, als die Wende kam. Meine Sichtweise auf die Dinge ist also naturgemaess in diese Richtung verfaelscht.
Also ich war, als die Wende kam, 13 Jahre alt. Natuerlich habe ich mich da noch nicht mit Leuten ueber Politik unterhalten und wir hatten kein Fernsehen, deswegen weiss ich nicht, wieviel Prozent der Nachrichten dort wirklich ueber die DDR berichtet haben, aber ... um ehrlich zu sein, habe ich erst in der Schule gelernt, dass es die DDR ueberhaupt gibt.
Im Geschichtsunterricht hatten wir sogar eine Karrikatur, die veranschaulicht hat, wie die Gleichgueltigkeit der Menschen in beiden Laendern dem anderen Deutschland gegenueber kontinuierlich gewachsen ist. Ich bin mir sicher, dass es ziemlich vielen anderen in meiner Generation aehnlich gegangen ist. Viele haben vermutlich erst festgestellt, dass es zwei Deutschland gibt, weil bei den Olympischen Spielen ploetzlich noch so ein komisches anderes Deutschland aufgetaucht ist.
Ich glaube die Gleichgueltigkeit bei vielen Deutschen war, bevor man feststellen konnte, dass sich politisch tatsaechlich etwas bewegt, sehr gross. Oder gab es in Westdeutschland etwa eine ueberwaeltigende Menge von Massenprotesten, die den Osten unterstuetzt haetten? Wie gut die Leute denn damals schon ueber die Verhaeltnisse in der DDR bescheid?
Ich zweilfle stark an, dass es dieses "grosse Sehnen" das dergio angesprochen hat, schon lange bevor sich die Wende deutlich abgezeichnet hat gab. Und vielleicht war es bei vielen Deutschen im Endeffekt doch gar nicht mal so gross...? In Korea kann man beileibe noch nicht von einer Situation wie "vor der Wende" sprechen. Wo zeichnet sich diese denn ab?
Ich kann wirklich nicht sehen, dass die Koreaner dieses Thema dermassen ignorieren, wie das in Deutschland der Fall war. Die Situation mag anders gewesen sein fuer Deutsche, die Nahe der Grenze gelebt haben oder Verwandte "drueben" hatten (oder meinetwegen auch politisch engagierter waren, als das meine Familie war).
Ihr solltet aber nicht vergessen, dass das Thema fuer die Koreaner sehr schmerzlich ist, und man darueber eher nicht bei einem Bierchen einen netten Plausch haelt.
Mich sprechen Koreaner oefters darauf an, was es fuer sie bedeutet hat, als sie erfahren haben, dass Deutschland wieder vereinigt worden ist. Ich bekomme fast schon den Eindruck, dass das fuer einige Koreaner ein wichtigeres und signifikanteres Erlebnis war als fuer viele Deutsche.
Was die Nachrichten angeht ... also wenn der Norden wieder mal irgendwas angestellt hat, wie z. B. die Testraketen oder der Atombombentest, dann kommt das auf jedenfall sofort auf jedem Sender als Subline waehrend der laufenden Sendung und wird dann auf jedenfall auch in den Nachrichten gebracht. Der Unterschied zu Deutschland ist, dass man nicht aus jedem Ereignis ein ZDF-Special gemacht wird, das schnell zusammengeschnibbelt wird und ansonsten wenig Informationen enthaelt dafuer aber den ganzen Abend fuellt.
Des weiteren ist die Nachrichtenlage in Bezug auf den Norden auesserst schwierig. Die Leute, die sich akademisch mit Nordkorea auseinandersetzen, haben in Bezug auf Datenerhebungen wirklich keinen leichten Job.
Dann sollte man nicht vergessen, dass sich die Geschichte des geteilten Deutschlands und des geteilten Koreas deutlich von einander unterscheiden. z.B. gab es in Deutschland keinen Buergerkrieg, Deutschland hatte den Krieg, der zu der Teilung fuehrte, selbst verursacht, waehrend die Koreaner Spielball verschiedener Interessengruppen wurden, die Korea bis dahin weitgehend ignoriert hatten. etc. pp.
Desweiteren gibt es viele Spielfilme, die das Thema Nordkorea behandeln, z.B. 태극기 흘날리며, Taifun, JSA etc. Gab es in Deutschland VOR der Wende besonders viele Filme zu dem Thema? Ich persoenlich kenne jedenfalls nur Nach-Wende-Filme, die von der DDR handeln.
Leute, ich war damals dreizehn, und ich glaube, die meisten hier im Forum sind noch juenger als ich, glaubt ihr wirklich, ihr koennt beurteilen, wie das in Deutschland wirklich war und ueber die Koreaner die Nase ruempfen, weil sie angeblich so ignorant waeren?
Und: Was bringt es denn aus politischer Sicht (fuer die suedkoreanische Regierung), die eigenen Leute im Land heiss zu machen?
Natuerlich ist die Meinung in Korea gespalten, und es gibt auch einige, die GEGEN eine Wiedervereinigung sind, zum Teil deshalb, weil sie die Erfahrungen, die in Deutschland gemacht wurden, genau beobachtet haben. Die Deutschen damals wussten nicht, was da wirklich auf sie zu kam, und konnten sich naiv ihrer Freude hingeben, aber so blauaeugig sind die Koreaner dank der deutschen Wiedervereigung nun mal nicht mehr.